Die Aktienselektion nach bestimmten Merkmalen – im Finanzjargon Faktoren genannt – ist das
Grundprinzip von Faktor-Investments. Die Kunst erfolgreicher Anlage besteht darin, auf die
richtigen Merkmale zu setzen. Mal gilt Quality (hohe Profitabilität) als entscheidender Faktor für
Outperformance, mal Value (günstige Bewertung), mal Size (kleine Marktkapitalisierung) oder
Momentum (starker Kursanstieg in der jüngeren Vergangenheit).
Wer nach einem solchen Kriterium anlegt, kann den breiten Markt damit übertreffen. Das gelang
zuletzt beispielsweise mit Momentum: Der MSCI Momentum Index schaffte auf Jahressicht ein
Plus von 41 Prozent, während der Gesamtmarkt gemessen am MSCI World auf 26 Prozent kam.
Doch wie jeder Anleger weiß oder zumindest wissen sollte, bergen Kursentwicklungen der
Vergangenheit keine Garantie für zukünftige Kursentwicklungen. Welcher Faktor wirklich die
Nase vorn haben wird, lässt sich erst in der Rückschau sagen. Zudem geht mit der Konzentration
im Portfolio ein höheres Risiko einher, weshalb Experten Faktor-Investments lediglich als
Beimischung empfehlen.
Rund 30 Prozent Wertanstieg in einem halben Jahr bescherte Silber seinen Besitzern von Januar
bis Anfang Juli – und ließ damit sogar seinen „großen Bruder“ Gold hinter sich, der ebenfalls
stark performte. Ein wesentlicher Grund für beide Kursanstiege dürfte in der Suche nach
Sicherheit in politisch unruhigen und wirtschaftlich volatilen Zeiten liegen.
Im Gegensatz zu Gold wird Silber indes überwiegend industriell verwertet, etwa in der
Elektroauto- und Halbleiterproduktion und der Solarindustrie. Auch für Touchdisplays ist
ultradünnes Silber ein Stoff mit Zukunft. Rund 55 Prozent der Nachfrage entspringen diesen
industriellen Verwertungsarten – und die Kurve zeigt steil nach oben. Für eine
Silberbeimischung im Portfolio könnte der Zeitpunkt daher trotz der jüngsten Hausse günstig
sein. Neben physischem Silber etwa in Form von Münzen können auch Silber-ETCs (Exchange
Traded Commodities) erworben werden. Diese sind allerdings prinzipiell mit einem EmittentenAusfallrisiko behaftet, das indes mit der Besicherung durch physisches Silber bei einem
Treuhänder reduziert werden kann.
Anleihen erleben infolge der hohen Leitzinsen ein Revival, setzen jedoch häufig hohe
Mindestzeichnungssummen voraus. Für Privatanleger bieten daher insbesondere Rentenfonds
einen Zugang zu einem diversifizierten Anleihekorb. Immer häufiger werden dabei Fonds mit
fester Laufzeit gewählt, die nur Anleihen mit einem ähnlichen Fälligkeitsdatum versammeln,
beispielsweise in einem, drei oder fünf Jahren. Als Zinsen werden den Investoren während der
Laufzeit die Kupons ausgezahlt, bevor jene am Ende ihr Kapital zurückerhalten. Nachdem 2023
laut Morningstar unterm Strich bereits rund 60 Milliarden Euro in solche Laufzeitfonds gesteckt
wurden, investierten die Anleger im ersten Quartal 2024 weitere 13 Milliarden Euro.
So risikolos, wie sie hin und wieder in der Vermarktung vor allem durch Banken dargestellt
werden, sind Laufzeitfonds indes nicht. Zwar korrelieren sie kaum mit dem Auf und Ab an den
Börsen und stellen eine konkrete Rendite in Aussicht. Doch in der Regel bündeln sie
Unternehmensanleihen und bergen deshalb ein entsprechendes Kreditrisiko.
Mittelabflüsse und Preisflaute: offene Immobilienfonds vor Herausforderungen
Enrico Rohr | Keine Kommentare10.07.2024
Laut einer aktuellen Marktstudie der Ratingagentur Scope sieht die Perspektive für offene
Immobilienfonds (OIF) in diesem Jahr alles andere als rosig aus. Zum einen entnehmen die
Anleger erstmals seit 17 Jahren mehr Geld aus den Fonds, als sie einzahlen – allein im ersten
Quartal betrug dieser Nettomittelabfluss 900 Millionen Euro. Auf der anderen Seite drücken
gesunkene Immobilienpreise auf die Renditen. Auf Jahressicht erwirtschafteten die 27
begutachteten OIF zuletzt zwischen –11,6 und 3,1 Prozent für ihre Anleger, was auf eine
Durchschnittsrendite von kargen 0,5 Prozent hinausläuft.
Als Konsequenz daraus und aus „gestiegenen Risikoparametern“ stufte Scope das Rating für 11
der 27 Fonds herab, während nur einer ein Upgrade erfuhr. Liquiditätsprobleme drohen gemäß
den Analysten zwar nicht, da die OIF im Schnitt 14,5 Prozent ihres Vermögens liquide halten.
Hier und da könne es jedoch zu Rücknahmeaussetzungen kommen. Kleiner Trost für Anleger und
OIF-Manager: Für 2025 erwartet Scope wieder attraktivere Renditen, die dann für höhere
Mittelzuflüsse sorgen könnten.
Die Qual der Wahl für Erneuerbare-Energien-Anleger: AIF, ELTIF 2.0 oder OIS?
Enrico Rohr | Keine Kommentare19.06.2024
Bei der Finanzierung der Energiewende setzt die Politik auch auf privates Kapital, anders sind
die erforderlichen Investitionen nicht zu mobilisieren. Um auch Privatanlegern die Beteiligung
an Erneuerbare-Energien-Projekten schmackhafter zu machen, haben die europäischen und
deutschen Regulierer zwei zusätzliche Vehikel auf den Weg gebracht, die den mittlerweile
bewährten, aber eher unflexiblen alternativen Investmentfonds (AIF) ergänzen: Europäische
Langfristinvestmentfonds in geänderter Fassung (ELTIF 2.0) und offene InfrastrukturSondervermögen (OIS).
Insbesondere im Hinblick auf die Liquidität bieten sie mehr Offenheit als AIF, in denen das Geld
in aller Regel für mehrere Jahre gebunden ist und allenfalls ein Zweitmarktverkauf eine
vorzeitige Exit-Option bietet. Doch Anleger sollten genau hinschauen, denn die ELTIF-2.0-
Manager haben bei Mindesthaltedauer, Kündigungsfristen, Rücknahmehäufigkeit und
vorzuhaltender Liquidität großen Gestaltungsspielraum. Zudem können sie auch in Private
Equity und Private Debt investieren. Aus OIS dagegen kann man, wie aus offenen
Immobilienfonds, erst nach frühestens zwei Jahren wieder aussteigen, nachdem man das
mindestens ein Jahr im Voraus angemeldet hat. In OIS-Portfolios darf ein Projekt nicht mehr als
10 Prozent ausmachen, ebenfalls 10 Prozent beträgt die Mindestmarge für liquide Mittel. Von
beiden neuen Fondsgattungen gibt es zusammen erst eine Hand voll am deutschen Markt, doch
mit weiteren Produkten ist zeitnah zu rechnen.
Nachhaltig orientierte Fonds hatten es zuletzt nicht leicht, vor allem da sie am kurstreibenden
KI-Boom kaum teilhaben. Sogenannte Artikel-9-Fonds, die auch als „dunkelgrün“ bezeichnet
werden, mussten in der Folge Federn lassen: Seit März 2023 wurden in jedem Monat mehr
Gelder abgezogen als neu investiert. Artikel-9-Aktienfonds büßten seither in Summe 20
Milliarden US-Dollar ein, während ihre Renten-Pendants 6 Milliarden hinzugewannen – unterm
Strich also ein dickes Minus für das Artikel-9-Segment.
Langfristig indes können nachhaltige Fonds ihren Marktanteil stetig steigern. Mittlerweile
folgen rund 55 Prozent der in Deutschland zugelassenen Fonds, die sogar 60 Prozent des
Vermögens verwalten, den entsprechenden Vorgaben von Artikel 8 oder 9 der EUOffenlegungsverordnung. In Summe sind das über 6.800 Fonds, aus denen die Anleger wählen
können. Der Löwenanteil von 6.200 Fonds orientiert sich an den weicheren Anforderungen des
Artikels 8 („hellgrün“), der lediglich eine Berücksichtigung von ökologischen, sozialen und
Unternehmensführungs-Aspekten verlangt.
17 Jahre lang pumpten die Anleger mehr Geld in die offenen Immobilienfonds (OIF), als sie
daraus abzogen. Tempi passati: In den ersten beiden Monaten dieses Jahres flossen netto rund
500 Millionen Euro aus OIF ab, wie die Ratingagentur Scope vermeldet. Deren Analysten
rechnen mit noch stärkeren Entnahmen im weiteren Jahresverlauf, mit dem Höhepunkt im
dritten Quartal. Im Wesentlichen sei dafür die wieder attraktivere Konkurrenz durch
festverzinsliche Anlagen verantwortlich.
Für die Liquiditätssteuerung der OIF ergibt sich damit eine ungewohnte Herausforderung. Lange
Zeit bestand das Hauptziel darin, die Geldmittelquote nicht zu hoch steigen zu lassen. Nun muss
sichergestellt werden, dass jederzeit genug in der Kasse ist, um die Anleger auszahlen zu
können. Einstweilen scheint die Zahlungsfähigkeit nicht gefährdet zu sein: Im Schnitt weisen die
deutschen OIF eine Liquiditätsquote von 14,5 Prozent aus, gesetzlich gefordert sind 5 Prozent.
Dennoch schließt Scope nicht aus, dass es zu einzelnen Rücknahmeaussetzungen kommt. Zudem
könnten sich manche Fonds gezwungen sehen, Portfolioobjekte unter Zeitdruck und damit
potenziell zu suboptimalen Preisen zu veräußern.
Im Dickicht der Nachhaltigkeitsdefinitionen liefern ESG-Ratings (Umwelt – Soziales –
Unternehmensführung) dringend nötige Orientierung. Dass sich die Ergebnisse für ein und
dasselbe Unternehmen von Anbieter zu Anbieter stark unterscheiden können, tut der Nachfrage
keinen Abbruch. Vermögensverwalter können es sich kaum leisten, auf ein unabhängiges,
externes Testat zu verzichten. Andernfalls stehen Werbeaussagen mit ESG-Bezug nämlich schnell
unter Greenwashing-Verdacht.
Die wenigen Ratinghäuser haben deshalb gute Konjunktur. Eine Umfrage der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht unter 30 deutschen Kapitalverwaltungsgesellschaften legt nun
nahe, dass sie ihre Marktmacht in überzogene Preise für ihre Leistungen ummünzen. Noch nicht
mal jeder fünfte der befragten Vermögensverwalter ist der Meinung, die Ratingkosten würden
sich in einem angemessenen Rahmen bewegen. In der Kritik steht auch die Marktstruktur, die auf
ein Anbieter-Oligopol hinauslaufe. Zudem bemängeln die Vermögensmanager hohe
Mindestgebühren, die kleinere Marktteilnehmer überproportional belasten würden. Am Ende
zahlen so oder so die Anleger.
Die Börsen in Deutschland und den USA sind aktuell sehr optimistisch aufgestellt, das
Wirtschaftswachstum hierzulande bleibt einstweilen mau. Für viele Anleger rücken
Schwellenländer wieder mehr in den Fokus. Durch die jüngsten geopolitischen Entwicklungen
und seine Wachstumsschwäche steht China dabei weniger im Zentrum als in früheren Jahren.
Zahlreiche Unternehmen diversifizieren ihre Lieferketten und reduzieren die Abhängigkeit vom
Reich der Mitte. Aus naheliegenden Gründen ist auch Russland als weiterer BRICS-Staat bis auf
Weiteres ein wenig attraktiver Anlagemarkt.
Profiteure dieser strukturellen Neuordnung sind unter anderem Indonesien, Thailand, Malaysia
und der schlafende bzw. erwachende Riese Indien. Aber auch für Mexiko sehen EmergingMarkets-Experten derzeit gute Perspektiven. Zur Risikostreuung können Anleger sich an Fonds
beteiligen, die eine Vielzahl von Ländern und Unternehmen abdecken. Auch an SchwellenländerETFs gibt es ein breites Angebot. Überdies kommen Anleihen stabiler Staaten im „Globalen
Süden“ als Portfoliobeimischung infrage.
Ende März kommt der erste ELTIF 2.0 auf den deutschen Markt
Enrico Rohr | Keine Kommentare20.02.2024
Am 10. Januar ist eine neue Regulierung für European Long-Term Investment Funds (ELTIF) in Kraft getreten. Der ELTIF 2.0 steht auch Kleinanlegern offen, nachdem sein Vorgänger die Hürden mit einer Mindestbeteiligung von 10.000 Euro pro Fonds bei mindestens 100.000 Euro im Portfolio noch sehr hoch gelegt hat. Technisch betrachtet handelt es sich um einen alternativen Investmentfonds (AIF). Im Gegensatz zu den meisten konventionellen geschlossenen Fonds soll der ELTIF jedoch kürzere Laufzeiten von in der Regel fünf bis acht Jahren bieten.
Über das neu gestaltete Anlagevehikel können Investoren sich an sogenannten Private Markets beteiligen, die nicht an den Börsen vertreten sind: Sachwerte wie Infrastrukturprojekte und Immobilien, Private Equity und Fremdkapitalfinanzierung. Diese mitunter sehr lukrativen Assets machen rund 90 Prozent aller Vermögenswerte aus und sind bislang für Privatanleger kaum beteiligungsfähig. Der erste deutsche ELTIF 2.0 steht in den Startlöchern und soll ab Ende März Investitionen in Wind- und Solarparks sowie Strom- und Glasfaserleitungen tätigen.